Mike Noris

Mike Noris empfiehlt zehn Standardwerke der SF

© 2001

Essay
TERRAsse 21
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Zu TERRAsse

Carlos Rasch:

Der blaue Planet.

So ungefähr im alten Sumer erscheint ein Raumschiff mit außerirdischen Terrassenbauern, die hochentwickelt und gutherzig, aber ein bißchen schwer von Begriff sind.
Nachdem sich ein Eingeborener über die anhaltende Trockenheit beklagt hat, übertragen sie die Regelung dieses Problems einem ihrer Roboter (in bewährt rasch’scher Manier humorig
geschildert!), dem bei der Berechnung das Komma in einem Exponenten verrutscht, und daß Trinkwasser auf der Erde nicht wie daheim achtunddreißig Prozent Äthanol enthält, hat ihm auch keiner gesagt. Als die Überlebenden der Sintflut allmählich wieder nüchtern werden, schlägt die Entwicklung der Menschheit eine völlig neue Richtung ein. Ein wahrhaft berauschender Roman.
Nora Aymée Müller-Lüdenscheidt: Die UFOs der Aliens.
Lesen Sie diesen Schrott um Himmels willen nicht, aber kaufen Sie ihn! Wie auch die vorangehenden Romane der Autorin ist dieser im Print-on-Demand-Dienst von Libri erschienen, und so wie die Frau (?) schreibt (?), wird sie nie (?) Erfolg haben. Sie kriegen also eins von ganz wenig verkauften Exemplaren, und wenn die anderen die Schwarte längst wieder weggeschmissen haben, können Sie Ihre in etwa vierzig Jahren als Rarität zu einem Wahnsinnspreis verkaufen und Ihre Rente (??) aufbessern. That must be what it’s all about.


Frank Herbert:

Der Würstchenplanet.

Ein verbannter Herzog züchtet aus zu groß geratenen Sandwürmern eine nur rund 15 cm lange Abart, die von Natur mit einer psychoaktiven Substanz gewürzt ist; damit erobert er die Hot-Dog-Stände des gesamten galaktischen Imperiums und macht einen fiesen Baron mit dessen Frankfurter-Mafia fertig. Eine feministisch-esoterische Sekte gibt den Senf dazu. Lecker!

Mira Tschakanjan:

Hier kommt die Flut ... Die proletarische Revolution ist über Europa hinweggegangen, aus aller Welt strömen Menschen in das neue Paradies der Werktätigen. Die Heldin ist Musikerin, ihre Töne sind hell, voller Fragen, und zusammen mit all den anderen Musikern will sie bloß den Plan übererfüllen und gelegentlich den Verstandesbrüdern aus dem All interplanetare Solidarität erweisen ...
»Wo sind Deutschlands Prognostiker? Rar und dünn gesät. Warum sollte die Sowjetunion das Feld der Wissenschaftlichen Phantastik beherrschen?  hat, wie mir scheint, lange genug auf jemand Würdiges gewartet – nein, nicht bloß , sondern auch die Frauen. Und hier ist sie: Mira Tschakanjan.« – Grigori Kossonossow »Hat Mira Tschakanjan diese tolle schwarze Brille eigentlich auch beim Schreiben auf? Und wo bekommt man die?« –
Hartmut Mechtel, Wochenpost
Soweit Zitate vom Rücktitel des Buches, denen der Rezensent nicht viel hinzuzufügen hat. Alles in allem ein sehr lesenswerter Roman, sehr exotisch und . Der Titel, zu deutsch »Die Musik hört nimmer auf«, spielt auf das gleichnamige populäre Lied des Vokal-Instrumental-Ensembles »« beim Sender Jerewan an.


Günter und Johanna Braun

Der Irrtum des Großen Zauderers.

Das ist ein historisch-phantastischer Roman über Quintus Fabius Maximus Cunctator, der eigentlich als Pazifist berühmt werden will, dann aber aus Versehen doch noch Hannibal besiegt. Zu literarisch, zuwenig Zweikämpfe, zuviel Latein, aber die Verfilmung von A. S. Konigsberg ist sehenswert, vor allem die Sex-Szene mit dem Elefanten (der Elefantin?).

Terry Pratchett, William Shakespeare und andere:

Scheibchenwelten.

Herausgegeben von Erik Simon und Friedel Wahren.
In der guten Tradition der vorangehenden Anthologien von Peter Haining bzw. Simon & Wahren beginnt der Band mit einem Beitrag von Terry Pratchett; diesmal ist es eine kluge Bemerkung über Geoffrey Chaucer, die er auf einem SF- Con in Hoyerswerda gemacht haben soll. Ganz naheliegend dann die thematische Überleitung von Chaucer zu dem etwas neueren Shakespeare, von dem der Band eine jüngst bei Bauarbeiten im Globe Theatre entdeckte, bisher unveröffentlichte Prä-SF-Story enthält. Auch von den übrigen Geschichten (u. a. von Asimov, Bradbury, Dick, Le Guin, Lem und Wells) sind die meisten gut, ein paar sehr gut, wenngleich vorher schon mal deutsch erschienen; aber nur für Terry-Pratchett-Fans ist der Band mit dem ulkigen Titelbild von Josh Kirby ein unbedingtes Muß.

H. D. Groß:

Grugel. *)

Ein Raumschiff »Nostradamus« (hört! hört!) mit neuartigem Blablaonen-Antrieb wird einer plötzlich (in Wahrheit aber: wieder mal) im All auftauchenden Pyramide entgegengeschickt, nachdem allerlei andere pyramidale Manifestationen schon von engstirnigen Anti-Parawissenschaftlern mit dem Papst an der Spitze unterdrückt worden sind. Aber zum Schluß wird’s dann doch noch richtig esoterisch. Allerlei ägyptisch-indianisch- australische Urweisheit, eine durchgeknallte Raumschiffbesatzung, viel Space-Odyssey-Verschnitt, et cetera et cetera, auf Seite 1054 dann endlich: »Und ... ähm ... Gott sei mit dir!« Ein Buch wie der Sommerschlußverkauf im Warenhaus: Es ist von allem was da, alles ist nochmals erheblich preisgesenkt, und: Es muß alles raus.

Hans-Peter Neumann unter Mitarbeit von Ivo Gloss und Erik Simon, Zuarbeit von Jan Nowak, John Peterson-Nyman, Sophie Neumann, dem 14. Dalai Lama und mehreren ehemaligen Mitgliedern des Großen Mongolischen Volkshurals sowie Trauerarbeit von Dr. Olaf R. Spittel

Große Illustrierte Bibliographie der zentralasiatischen Science Fiction in ost- und nordfriesischer sowie ober- und niedersorbischer Übersetzung.

Endlich! möchte man ausrufen, erleichtert und dankbar, daß dieses so lange vernachlässigte Gebiet nun bibliographisch erschlossen ist, insbesondere, was die mongolische und tibetanische SF angeht. Beim näheren Hinsehen bemerkt man jedoch ärgerliche Mängel, so ist die Länge des
Lesebändchens in zwei von drei Fällen ungenau und die Breite überhaupt nicht (!) angegeben, so daß der Benutzer unschlüssig ist, ob das Werk, wo kein Lesebändchen verzeichnet ist, tatsächlich keins oder aber eins von 0 mm Breite hat. Bis zum Erscheinen der dringend notwendigen überarbeiteten zweiten Auflage kann die vorliegende jedoch als nützlicher Behelf dienen.

Robert Jordan

Das Hühnerauge der Welt.

Den Inhalt dieses neuen Meisterwerkes aus dem Zyklus »Das fünfte Rad der Zeit« will ich nicht verraten, brauche ich auch nicht, denn wenn Sie die vorangehenden 33 Bände nicht kennen, werden Sie sowieso Bahnhof verstehen; wenn Sie die aber gelesen haben ... Haben Sie doch, gell? Also, um es ganz deutlich zu sagen: Wenn Sie diesen Band verpassen, werden Sie im 35. nicht mehr durchblicken. Wollen Sie sich das wirklich antun?

Mike Noris (Hrsg.)

Felsen von Erz.

Die unvergänglichsten Rezensionen aus der TERRAsse
Band 1.

Der Herausgeber, eine der verdienstvollsten Persönlichkeiten der europäischen SF, hat hier die kostbarsten Kleinodien des rezeptiven Literaturschaffens aus der renommierten Literaturzeitschrift TERRAsse zusammengetragen. Jedes der besprochenen Werke verdient es ebenso wie die Besprechungen, wie ein Rocher von Bronce**) dem Ozean der Vergänglichkeit zu trotzen, von nun an bis in Ewigkeit und zurück. Wo sonst hätte man sich schon 1992 umfassend über Lichtjahr 8 informieren können, als in Bianka Turbanskis Würdigung? Was wüßte die Weltöffentlichkeit ohne Alexander Golzes bahnbrechende Forschungen über den gemeinsamen SF-Roman von Anna Seghers und Johannes R. Becher oder über Ernst Wegbreiter, der die US-amerikanische SF so nachhaltig geprägt hat? Wer hätte der monumentalen Black-Block-Serie***) des Heyne-Verlages je ein imposanteres Denkmal gesetzt, als der Rezensent in TERRAsse 8? (Ein zweiter Band, der schon in Vorbereitung ist, soll u.a. die Filmkritik von Olga Couneau aus TERRAsse 6 sowie weitere wegweisende Rezensionen aus TERRAsse 21 enthalten.)

Besonders zu loben ist der Verlag, der sich entschlossen hat, dieses unverzichtbare Kompendium in einer preiswerten Volksausgabe zu nur 24,80 Euro auch mittellosen Mitmenschen zugänglich zu machen; sie müssen dann allerdings auf die serienmäßig eingebauten Extras verzichten, die die Standard-Ausgabe auch für 79 Euro zu einem Schnäppchen machen, also u. a. auf die von G. Doré speziell angefertigten Illustrationen und auf den eleganten Einband, der den Namen Hardcover einmal wirklich verdient (zwei Scheiben carrarischer Marmor).



Anmerkungen:

*) Sich grugeln (Dialekt): sich auf schön gruslige Weise ekeln, aber nur ein bißchen.

**) Treffender als Friedrich Wilhelm von Preußen kann man das nicht ausdrücken.



***) Siehe auch: Mike Noris »Und möge Allah dafür sorgen, daß Euch dieses Mahl bekommt.«, TERRAsse 8


Post an Bernd: hutschi@aol.com

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